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Die Stolberger Zink AG im Spiegel ihrer Unternehmensbezeichnungen

von Michael Käding

Einleitung

Unter dem Titel „Geschichte, reif für's Fass“ berichtete die Süddeutsche Zeitung am 3. Januar 2006 auf ihrer prestigeträchtigen ‚Seite Drei’ über den Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland. Auf Mikrofilmen kopiert und in Bierfässern eingerollt, befindet sich hier das Wertvollste, was die Archivare Deutschlands an erhaltenswertem Kulturgut zusammengetragen haben. Atombombengesichert, in rund 200 Metern Tiefe, ist das Gedächtnis der Nation im Barbarastollen der stillgelegten Zeche Schauinsland in der Nähe der Schwarzwaldgemeinde Oberried untergebracht. Der Standort ist nicht nur im Hinblick auf zukünftige thermonukleare Katastrophen gut gewählt. Der Barbarastollen birgt nämlich nicht nur Kulturgut, er ist es selbst. Für einen Zeitraum von mehr als achthundert Jahren, vom Hohen Mittelalter bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, wurde hier Zink, Blei und Silber gefördert. In gewisser Weise steht die umgenutzte Zeche damit auch repräsentativ für den End- und Höhepunkt einer Branche des Bergbaus, deren Anfänge in Deutschland teilweise bis in ur- und frühgeschichtliche Epochen zurückreichen.

Die Koinzidenz geht aber noch weiter. Die letzte Eigentümerin des Bergwerks Schauinsland war die im Aachener Raum ansässige Stolberger Zink AG, die ebenfalls zu den traditionsreichen Unternehmen des Erzbergbaus und der Metallhüttenindustrie zählt. Um 1837 von den englischen Frühindustriellen John und James Cockerill gegründet, entwickelte sich die Stolberger Zink im Verlauf des 19. Jahrhunderts von einem regionalen Pionierunternehmen zu einem führenden Konzern mit zahlreichen Gruben, Hütten und Beteiligungen. Der Erzbergbau, für mehr als ein Jahrhundert die wichtigste Stütze der Gesellschaft, zählte zu den umfangreichsten und modernsten in ganz Europa. Zu den bekanntesten Gruben der Stolberger Zink gehörten unter anderem die Zechen Herrenberg und Diepenlinchen bei Stolberg; Mercur bei Bad Ems; Holzappel an der Lahn; Vereinigte Bastenberg und Dörnberg, Ramsbeck; Rosenberg bei Braubach und Mühlenbach bei Ehrenbreitstein/Koblenz, in denen teilweise schon in der Antike Bergbau auf Erz betrieben wurde. Von der Stolberger Zink entwickelte Verfahren und Produkte bestimmen die Branche zum Teil noch heute. Hier begründete Hütten zählen, obwohl schon längst nicht mehr in Besitz der Gesellschaft, immer noch zu den modernsten der Welt. Zu den Industriellen und Wirtschaftsführern, welche im Vorstand oder im Aufsichtsrat die Entwicklung der Gesellschaft bestimmten, gehörten nach den Cockerills unter anderem Wilhelm von der Heydt, Victor Weidtman, Hugo Cadenbach, Otto Wolff, Otto Wolff von Amerongen, Paul Silverberg, Simon Oppenheim, Friedrich Carl Freiherr von Oppenheim und Rudolf Siedersleben.

Dennoch zählte die Stolberger Zink nie zu den wirklich Großen in der deutschen Industrielandschaft. Lediglich in der Mitte des 19. Jahrhunderts galt sie zumindest kapitalmäßig als eine der bedeutendsten Aktiengesellschaften Preußens, doch endete diese kurze Phase einer stürmischen Expansion auch prompt in der Katastrophe. Danach blieb das Unternehmen auch im Vergleich zu den nun aufstrebenden gigantischen Ruhrgebietskonzernen, deren Mitarbeiterzahlen teilweise bis in die Hunderttausende gingen, mit maximal rund 6500 Beschäftigten geradezu ein Zwerg. Zu Zeiten der Weidtmans und Cadenbachs wurde der Konzern, nicht zu seinem Nachteil übrigens, teilweise geführt wie ein Familienunternehmen. Erst danach, seit 1934, war die Stolberger Zink nicht mehr aktiver Spieler, sondern Spielball übergeordneter politischer und ökonomischer Interessen. Ihre noch heute gelegentlich als unnötig empfundene Zerschlagung durch die Frankfurter Metallgesellschaft AG in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts war letztlich nur eine konsequente Umsetzung dieser marktwirtschaftlichen Machtverhältnisse. Trotzdem hat das Unternehmen, vor allem in industriekultureller und montanhistorischer Hinsicht, mehr Spuren hinterlassen, als so mancher gestrauchelte Riese, zu denen - Ironie der Geschichte – schon längst auch die Metallgesellschaft gehört.

Insofern verwundert es auch nicht, dass das ungebrochene Interesse an der Stolberger Zink im Verlauf der letzten Jahrzehnte gleich an mehreren Orten zur Gründung von Museen und industriegeschichtlichen Sammlungen geführt hat. Unter anderem dokumentieren und beschreiben das Museums-Bergwerk Schauinsland, das Erzbergbaumuseum und Besucherbergwerk Ramsbeck, das Emser Bergbaumuseum sowie das Industriemuseum Zinkhütter Hof, Stolberg, die bergbauliche und metallerzeugende Tradition der Gesellschaft im Kontext der regionalgeschichtlichen Entwicklung, ohne dass es übrigens bisher zu einer konstruktiven Zusammenarbeit der Institutionen gekommen wäre. Die aus diesem Umfeld entstandene Literatur, die sich vorrangig aus den jeweiligen lokalen Perspektiven mit der Stolberger Zink beschäftigt, ist inzwischen so umfangreich, dass eine vollständige Aufzählung den Rahmen dieser Einleitung sprengen würde. Umso erstaunlicher ist es allerdings, dass bis jetzt noch keine aktuelle Unternehmensgeschichte vorliegt, was unter anderem zu dem kuriosen Ergebnis führt, dass man diese offensichtlich aus der besser erforschten regionalen Peripherie ableiten muss, während ein zentraler Leitfaden, in den die zahlreichen Einzelaspekte einzuordnen wären, bisher praktisch nicht existiert.

Graphik: Die Hütten der Stolberger Zink, um 1961.
(Bildquelle: Die Hütten der Stolberger Zink AG, Aachen, um 1961.)

Ziel dieser Darstellung ist es deshalb, am Beispiel der wechselnden Firmenbezeichnungen einen ersten, zugegebenermaßen fragmentarischen Beitrag zur Beseitigung dieser zentralen Lücke in der Unternehmensgeschichte zu leisten. Dass in diesem Zusammenhang nicht jeder Vorgang, wie wichtig er im Einzelnen auch gewesen sein mag, seiner Bedeutung angemessen gewürdigt werden kann, versteht sich von selbst. Erst recht, wenn man berücksichtigt, dass noch längst nicht alle Quellen zur Unternehmensgeschichte erschlossen bzw. zugänglich sind, so dass sich auch diese Arbeit nolens-volens auf das Kompilieren, Paraphrasieren und Interpretieren bereits publizierten Materials wie Geschäftsberichte, Fachaufsätze, Monographien sowie von allgemein bekannten Zusammenhängen stützen muss. Vieles kann unter diesen Umständen nur gestreift, manches gar nicht berücksichtigt werden. Insofern versteht sich diese eher unternehmenshistorisch angelegte Skizze auch nicht als die ultima ratio zur Firmengeschichte, sondern als Anregung und Annäherung an ein Thema, dessen umfassende wirtschafts-, sozial-, technik- und umweltgeschichtlichen Aspekte hiermit noch längst nicht erschöpft sind.

Ein neues Metall?

Anders als die Metalle Kupfer oder Eisen, deren Gewinnung und Verarbeitung seit Jahrtausenden immer auch eng mit den violenteren Formen menschlicher Konfliktlösungsstrategien verknüpft sind, spielt Zink beim Bau von Schwertern, Kanonen oder Panzern nur eine untergeordnete Rolle. Die Verwendung des Metalls liegt eher im Unspektakulären. Vor allem aufgrund seiner Korrosionsresistenz war Zink ein begehrter Grundstoff für Haushaltsgeräte wie Wannen, Eimer und Waschbretter. In der Architektur fand das Metall Verwendung für Dacheindeckungen, Fassadenverkleidungen und Regenrinnen, im graphischen Gewerbe für die Druckplattenproduktion und in der Photozinkographie. In gegossener Form bildete Zink eine elementare Grundlage für die lange Zeit geschmähte, inzwischen aber rehabilitierte Architektur des Historismus. Mit dem Aufkommen neuer Stilformen, Techniken und Materialien sind diese Verwendungen inzwischen ganz oder teilweise in den Hintergrund getreten. Dennoch hat sich Zink seinen Rang in der Metallindustrie bewahrt. Als Zinkstaub findet es heute Verwendung in der chemischen- und Farbenindustrie. Die Verzinkerei und der Zinkdruckguss sind aus dem Fahrzeugbau nicht mehr wegzudenken. Als gewalztes Titanzink erlebt es in der postmodernen Architektur seit Jahren eine Renaissance.

So nützlich das Metall - so schwierig die Gewinnung. Zink besitzt die für den Hüttenmann unangenehme Eigenschaft, dass der Reduktionspunkt über dem Destillationspunkt liegt. In der Metallurgie ergibt sich daraus das Problem, dass das Zinkerz in einem geschlossenen Retortenofen zunächst im dampfförmigen Zustand zu Zinkgas reduziert und danach durch Kondensation wieder in einen flüssigen Aggregatzustand gebracht werden muss. Auf der Grundlage fernöstlicher Kleinhüttenmethoden und moderner europäischer Glasofentechnik gelang dies in Europa erstmals dem Engländer John Champion, der im Jahr 1743 in Bristol die erste industrielle Zinkhütte gründete. Doch wurde das Verfahren geheim gehalten und blieb aufgrund der vergleichsweise geringen Produktion für den kontinentalen Raum zunächst ohne Relevanz. Auch waren die Anwendungsgebiete zunächst noch beschränkt. Erst die Einführung des Paketwalzverfahrens durch die Engländer Charles Hobson und Charles Sylvester im Jahr 1805 eröffnete dem Metall neue Perspektiven, welche auch von der sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts im belgischen, rheinischen und schlesischen Raum entfaltenden Zinkindustrie aufgegriffen wurden. Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt wurde Zink dann auch endgültig von der entstehenden wissenschaftlichen Metallurgie erkannt. Antoine Lavoisier beschrieb 1789 Zink als Element. Das chemische Symbol 'Zn' wurde 1814 von Jöns Jakob Berzelius vorgeschlagen. Zuvor hatten sich im 16. Jahrhundert bereits Georgius Agricola sowie ein gewisser Theophrastus Bombastus von Hohenheim (Paracelsus) mit dem merkwürdigen Material abgemüht, ohne allerdings zu wissenschaftlich eindeutigen Ergebnissen zu kommen. Wohl unabhängig voneinander benutzten und prägten sie die Bezeichnungen Zinkum bzw. Zink, die sich von den Zinken, also den zahnartigigen, scharfgratigen Kristallen des Ofenbruchs ableiteten.

Zink ist also auch ein verhältnismäßig 'junges' Metall. Dennoch fand es, wenn auch nicht in reiner Form, bereits in der Antike Verwendung. Gemeint ist das Messing, eine Legierung, die aus rund zwei Dritteln des Zinkerzes Galmei und zu einem Drittel aus Kupfer verhüttet werden kann. Ein Zentrum des europäischen Messinggewerbes bildete für mehrere Jahrhunderte der Stolberger Raum östlich von Aachen. Neben dem Reichtum an Galmei-, Blei-, Kalkstein- und Steinkohlelagerstätten war die Verkehrslage bereits in römischer Zeit von ausschlaggebender Bedeutung für die gewerbliche Entfaltung der Region. Archäologische Funde sowie die Legende vom 'Rheinischen Atlantis', dem sagenumwobenen Gression, lassen den hohen Stand des frühgeschichtlichen Montanwesens erahnen, dessen Kontinuität allerdings im Chaos der Völkerwanderung ein vorläufiges Ende fand.

Eine Renaissance erlebte das Messinggewerbe in Stolberg erst wieder im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts, als zahlreiche Aachener Kupfermeister, die auf der Grundlage des Altenberger Galmeis im heutigen Ostbelgien zuvor praktisch den gesamten europäischen Messinghandel dominiert hatten, das Gewerbe neu ansiedelten. Sie kamen als Flüchtlinge. Um 1600 unterlagen die vorwiegend protestantischen Mitglieder der Aachener Kupfermeisterzunft der Gegenreformation. Schon zuvor war ihnen ihr Gewerbe durch drückende Zunftbestimmungen erschwert worden. Einige Meister umgingen deshalb bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Bestimmungen, indem sie sich in Stolberg niederließen, dessen Lagerstätten Diepenlinchen, Breinigerberg und Herrenberg sich mit dem reineren Altenberger Galmei zwar nicht messen konnten, aber trotzdem brauchbare Qualitäten ergaben. Politische Rückendeckung erfuhr man durch die Herzöge von Jülich, die zwar ebenfalls katholisch, dem Aachener Reich aber traditionell feindlich gesinnt waren.

Während sich die Reichsstadt im Verlauf des nächsten Jahrhunderts nur langsam von dem Verlust ihrer wirtschaftlichen Eliten erholte, setzte die „Kunst Messing zu machen, es in Tafeln zu gießen, auszuschmieden und zu Drathe zu ziehen“ (Gallon) nun in Stolberg zu einem neuen Höhenflug an. 1726 waren bereits rund 200 Öfen in Betrieb, die jährlich etwa sechzigtausend Zentner Messing verhütteten. Aus einer bescheidenen Hinterwäldlersiedlung, die noch im Jahr 1548 lediglich aus einer zentralen Burganlage, einigen verstreuten Gehöften, Mühlen- und Hammerwerken bestand, entwickelte sich nun ein bedeutendes protoindustrielles Zentrum. Absolutistischer Luxus und die aufblühende Hochseefahrt mit ihrem zunehmenden Bedarf an korrosionsresistenten Metallbeschlägen garantierten eine fast unbeschränkte Nachfrage. Die Höfe der Kupfermeisterdynastien der Pryms, van Astens, Lynens, Walchenbachs oder Peltzers, während des Dreißigjährigen Krieges noch wehrhafte Werk- und Wohnburgen, nahmen zunehmend die Gestalt barocker Schlösser an. Den Zenit der Entwicklung erreichte die Stolberger Messingindustrie zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Danach erlitt das Gewerbe erste Einbußen. In England, Skandinavien und Preußen hatten sich, nicht selten vermittelt durch ausgewanderte Stolberger Hüttenleute, konkurrierende Produktionsstätten gebildet. Auch wurde es zunehmend schwieriger, den Galmei zu fördern. Um 1800 waren alle Gruben praktisch bis auf das Wasserniveau abgebaut. Trotzdem erlebten die Stolberger Kupfermeister zur Zeit der französischen Besetzung von 1794 bis 1815 noch einmal einen Höhepunkt, als sie das Empire mit Halbzeug und Fertigwaren versorgten. Als dieser Markt dann infolge des Wiener Kongresses weg brach, ging die Branche endgültig ihrem Niedergang entgegen.

Verschärft wurde diese Entwicklung noch durch die zunehmende Verbreitung reinen Zinks. Um 1802 war es dem 'Schlesischen Faust', Christian Ruberg, gelungen, Zink in reiner Form zu erschmelzen. Etwas später datiert die Erfindung des belgischen Chemikers Jean Jacques Daniel Dony, welche auch die westdeutsche Zinkindustrie entscheidend beeinflussen sollte. Ihm war es 1808 gelungen, Zink in reiner Form darzustellen. Dabei hatte er sich von vornherein auf jenes System feuerfester, horizontal liegender Muffeln konzentriert, welches die Zinkproduktion teilweise noch bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts charakterisierte. Bereits 1805 hatte ihm Kaiser Napoleon gegen die Verpflichtung, reines Zink herzustellen und zu walzen, für 50 Jahre den Altenberg verpachtet. Wie zahlreiche andere Erfinder allerdings auch, verstand es Dony nicht, das neue Produkt auch erfolgreich zu vermarkten. Völlig mittellos starb er 1819. Bereits sechs Jahre zuvor hatte er die bei Lüttich begründete St. Leonhardshütte sowie den Altenberg seinem Finanzier, dem Bankier Dominique Mosselmann, überlassen. Erst ihm gelang es in den folgenden Jahren, das Metall vor allem als Blech für die Bauindustrie bekannter zu machen. Die St. Leonhardshütte wurde nun zum Ausgangspunkt S.A. de la Vieille Montagne, die sich im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts zur weltweit größten Zinkproduzentin entwickeln sollte.

Einen unmittelbaren Einfluss auf das Verfahren der Messingproduktion hatten die Erfindungen Donys und Rubergs natürlich nicht, trotzdem waren die Konsequenzen für Stolberg fatal. Nun, da man reines Zink verwenden konnte, war es aus transporttechnischen Gründen wirtschaftlicher, die Messingproduktion an die Kupferlagerstätten zu binden. Was man angesichts dieser auf den Kopf gestellten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eigentlich kaum erwarten konnte, es gelang. Nach einem schmerzhaften Strukturwandel verfügte die Stadt zur Mitte des 19. Jahrhunderts wieder über eine fortschrittliche Wirtschaftsstruktur mit einer ungewöhnlichen Branchenvielfalt. Eine grundlegende Voraussetzung hierfür bildete neben den vorhandenen Bodenschätzen vor allem das technische Know-how, das ungeachtet des Niedergangs natürlich erhalten blieb. So überrascht es auch nicht, dass einige Stolberger Kupfermeister selbst frühzeitig mit der Zinkproduktion experimentierten. Über einen ersten Versuch berichtet für das Jahr 1808 Christian Fürchtegott Hollunder, der in einem technischen Reisebericht eine frühe Zinkhütte in Stolberg beschreibt. Doch scheint diese Hütte „nach belgischem Muster“ - wohl ein früher Fall von Industriespionage - nie über das Versuchsstadium hinausgekommen zu sein.

Rund ein Jahrzehnt später folgte das Projekt des Kupfermeisters Mathias Leonhard Schleicher. Zusammen mit dem Eschweiler Pumpenmeister Joseph Reuleaux, Vater des bekannten Berliner Maschinenbauprofessors Franz Reuleaux, errichtete er 1819 in einem umgebauten Messingwerk in der Stolberger Velau die erste industrielle Zinkfabrik des Rheinlandes. Die zunächst vier Öfen nach 'Lütticher Art' wurden von den Galmeivorkommen des Breinigerbergs gespeist. 1834 wurde diese Pilotanlage dann durch eine neu angelegte Hütte auf Birkengang ersetzt. Zur Verhüttung des ebenfalls beim Bergbau anfallenden Bleis wurde 1848 noch eine Bleischmelze auf Binsfeldhammer errichtet. Nach mehreren Besitzerwechseln entwickelte sich aus dieser Keimzelle später die bekannte Rheinisch-Nassauische Bergwerks- und Hüttengesellschaft. Mit der Entwicklung des nach der Hütte benannten Birkengang-Ofens, ein Regenerativsystem auf der Grundlage des Siemens-Verfahrens, sollte das Unternehmen auch in technischer Hinsicht die weitere Entwicklung der Zinkindustrie noch maßgeblich beeinflussen.

Noch erfolgreicher als diese Gründung war hingegen die Metallurgische Gesellschaft von John und James Cockerill. Auch die Geschichte dieses Unternehmens war nicht immer eine Erfolgsgeschichte. Von der wechselvollen Entwicklung der Gesellschaft von ihrer Gründung im Jahr 1837 berichten unter anderem die ebenfalls häufig wechselnden Besitzverhältnisse und Firmenbezeichnungen. Unter dem Namen Stolberger Telecom findet man sie noch heute in den Börsenindices. Allgemein bekannt wurde die Gesellschaft allerdings unter der Bezeichnung Stolberger Zink.

St. Heinrichshütte - Metallurgische Gesellschaft zu Stolberg

Der Beginn des 19. Jahrhunderts leitete eine neue Phase der gewerblichen Tätigkeit in Deutschland ein. Ausgehend vom Mutterland der Industrialisierung, England, ersetzten Zechen, Eisenhütten und Maschinenfabriken zuvor vorwiegend handwerklich geprägte Produktionsverfahren. Neben den Revieren in Schlesien, in Sachsen und dem Saarland bot der Aachener Raum mit seinen Bodenschätzen, einer umfangreichen protoindustriellen Tradition im Metall- und Textilgewerbe sowie modernen Handels- und Gewerbestrukturen besonders günstige Voraussetzungen für die Entstehung industrieller Wirtschaftsformen.

Einer der ersten, die sich bereits während der französischen Besatzungszeit daranmachten, dieses Potential zu aktivieren, war der englische Mechaniker William Cockerill. Nach einer erfolglosen Irrfahrt durch halb Europa begann er 1799 zunächst in Verviers und seit 1807 in Lüttich mit der Produktion von mechanischen Spinnmaschinen, die er an die zahlreichen Textilfabriken in der Aachener Region verkaufte. Ein Hauch von Vaterlandsverrat schwang bei dem ganzen Arrangement natürlich mit, schließlich produzierten deutsche Textilbarone mit englischem High-Tech-Material vorwiegend Uniformtuche für die französische Armee, doch war das Geschäft rentabel für alle Beteiligten und William Cockerill schon bald ein respektables Mitglied der Aachener Hautevaulee. Gesellschaftlich gipfelten industrielle Regsamkeit und biedermeierliche Idylle in den Hochzeiten seiner Söhne John und James, welche nach und nach in die Leitung des Unternehmens hineinwuchsen und schließlich in die Aachener Nadelfabrikantendynastie Pastor einheirateten. Die Produktion von modernen Textilmaschinen war allerdings nur der Anfang. Als die ersten deutschen Konkurrenten begannen, die Maschinen Cockerills zu kopieren, war der Engländer bereits mehrere Schritte voraus. 1813 nahm sein Betrieb in Lüttich die Produktion von Dampfmaschinen auf. Zwei Jahre später plante er hier ein Hüttenwerk, wie es Kontinentaleuropa bis dahin noch nicht gesehen hatte: Seraing. 1816 hatte ihm der niederländische König Wilhelm I. ein Schloss am rechten Ufer der Maas überlassen. Nun entstanden auf diesem frühindustriellen Gewerbegebiet in schneller Folge Puddelwerke, Hochöfen, Walzwerke und Maschinenfabriken.

Als sich William Cockerill in Lüttich niederließ, geschah dies in erster Linie, weil das wallonische Industriegebiet zu diesem Zeitpunkt bereits weiter entwickelt war. Inzwischen jedoch hatte der Aachener Raum auch Dank der Entwicklungshilfe der Cockerills und anderer englischer und wallonischer Industriepioniere aufgeholt. Die Voraussetzungen, speziell was die Bodenschätze betraf, waren ohnehin vergleichbar günstig. Nun war es an der Zeit, diese auch nutzbar zu machen, bevor sich andere ihrer bemächtigten. Nachdem sich William Cockerill als wohlhabender Pensionär aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hatte, konzentrierten sich die industriellen Aktivitäten seiner Söhne zur Mitte der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts wieder auf den Aachener Raum. James hatte bereits 1825 seinen Anteil an Seraing verkauft und suchte nun neue Investitionsmöglichkeiten. Noch im gleichen Jahr begann er mit dem großtechnischen Abbau der später nach ihm benannten 'James-Grube’ auf dem Münsterbusch bei Stolberg. Eine Straße, die ebenfalls nach ihm benannte Cockerillstraße, wurde gebaut, um auf ihr die geförderte Kohle zu transportieren. John hingegen erwarb 1832 von der Stadt Aachen die Konzession auf die Bleizinkerzgrube Herrenberg, die verkehrsgünstig an der Straße seines Bruders lag. Wohl angeregt durch die Zinkhütte St. Leonhard, deren Aufstieg John Cockerill in Lüttich praktisch vor der eigenen Haustür beobachten konnte, erkannte er die Standortvorteile des Stolberger Raumes für das neue Metall. Und wenn man diesmal auch nicht zu den ersten gehörte – die Velauer Zinkhütte existierte ja bereits – so verfügte man doch über ganz andere Möglichkeiten.

Zusammen mit drei Kompagnons errichtete John Cockerill bis 1837 in der Nachbarschaft der Zeche seines Bruders die St. Heinrichshütte mit vier Doppelöfen zu je 84 Retorten. Bereits ein Jahr später wurde das Unternehmen in eine anonyme Gesellschaft unter dem Namen Metallurgische Gesellschaft zu Stolberg überführt. Eine Begründung für den Unternehmensnamen findet sich unter anderem in der zeitgenössisch gestelzten Konzessionsurkunde, in der die ambitionierten Ziele festgehalten wurden, nämlich: „Galmey, feuerfeste Thonerde, sowie Eisensteine und Bleierze zu gewinnen, Zink zu fabrizieren und zu walzen, ferner Eisen und Bleierze zu schmelzen, und diese sowohl als Kupfer und Messing zu walzen, Konzessionen für die Gewinnung von Erzen und Steinkohlen nachzusuchen und zu erwerben, und endlich die gedachten Metalle in allen den Handel anpassenden Formen zu verarbeiten“. Zu den wichtigsten Aktionären der Gesellschaft gehörten u.a. Barthold Suermondt, in Personalunion Schwiegersohn des James und Privatsekretär John Cockerills, der Direktor der Eschweiler Drahtfabrik, Friedrich Thyssen, das traditionsreiche Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim sowie der Burtscheider Textilindustrielle und Mitbegründer der Aachener und Münchener Feuerversicherungsgesellschaft, Peter von Fisenne.

Zinkhütte und Zinkwalzwerk (St. Heinrichshütte), Münsterbusch-Stolberg um 1961.
(Bildquelle: Die Hütten der Stolberger Zink AG, Aachen, um 1961.)

Ob die Pläne der Cockerills tatsächlich soweit reichten, in Stolberg ein zweites Seraing zu errichten, oder ob es sich hierbei lediglich um eines jener zahlreichen Projekte handelte, welche vor allem der unermüdliche John in ganz Europa verfolgte, lässt sich nicht mehr eindeutig überprüfen. Fest steht allerdings, dass sich das Engagement weder für den einen noch für den anderen Bruder rentieren sollte. James Cockerill war bereits 1837 verstorben. Sein Bruder musste sich in den folgenden Jahren, als über Belgien eine der ersten industriellen Finanzkrisen einbrach, nach und nach von seinen zahlreichen Beteiligungen trennen, um Seraing zu retten. Er starb 1840 auf der Suche nach neuen Investoren in Warschau an Typhus. Nach diesem Verlust verloren auch die meisten Aktionäre der Metallurgischen Gesellschaft das Interesse an dem Projekt. Die Erben der Cockerills wollten beziehungsweise mussten verkaufen, Barthold Suermondt konzentrierte sich völlig auf die Rettung Seraings, die Thyssens zogen sich zurück, um eine Generation später in der Stahlbranche zu reüssieren.

Um das eben erst etablierte Unternehmen nicht untergehen zu lassen, musste sich der einzig verbliebene Großaktionär, das Kölner Bankhaus Oppenheim, auf die Suche nach einem neuen Geschäftsführer machen. Man fand ihn schließlich in der Person des Marquis Etienne Bernard de Sassenay, ein ehemaliger Walzwerksbesitzer aus Thiersville. Es waren wohl weniger seine Erfahrungen als Industrieller, die hatten ihn schon frühzeitig um sein gesamtes ererbtes Vermögen gebracht, als vielmehr seine guten Beziehungen zur Pariser Finanz- und Verwaltungselite, die ihn für die Leitung des Unternehmens prädestinierten. Innerhalb von rund 15 Jahren setzte er die ehrgeizigen Pläne der Cockerills zügig um und schuf mit dem Ausbau der Hütte, der Einrichtung einer modernen Bleiverarbeitung sowie dem Erwerb umfangreicher Bergwerkskonzessionen die Voraussetzungen für den zukünftigen Aufstieg der Gesellschaft. Dennoch fand seine Leistung in der Unternehmensgeschichte keine Anerkennung, denn sie endete mit einem der ersten großen Börsenskandale der deutschen Industriegeschichte.

Societe Anonyme des Mines et des Fonderies de Plomb et de Zinc de Stolberg et de Westphalie

Dass de Sassenay offensichtlich nur über begrenzte flüssige Mittel verfügte, störte zunächst freilich niemanden, solange es ihm nur gelang, neue Investoren zu gewinnen. Wohl durch die Vermittlung von Salomon Oppenheim, der über ausgezeichnete Beziehungen zum Pariser Bankhaus Gouin verfügte, gelang es ihm zum 1. Mai 1841 einen Pachtvertrag mit der Metallurgischen Gesellschaft abzuschließen, der ihm für 25 Jahre die gesamten Betriebseinrichtungen überließ. Um das dafür erforderliche Betriebskapital zu beschaffen, gründete de Sassenay bereits am 8. April 1841 zusammen mit drei Pariser Bankiers die Kommanditgesellschaft de Sassenay & Co., in welche er selbst nur seine Rechte an dem Pachtvertrag einbrachte. Die Voraussetzungen für die Neugründung waren allerdings günstig; im Bauwesen stand das neue Metall, auch Dank eines Placets Schinkels, vor dem Durchbruch. Der Primärerzeugung schloss sich in den folgenden Jahren eine zunehmend diversifizierte Weiterverarbeitung an, zu denen unter anderem die Walzwerke Groove & Welter, Eschweiler, die Fa. Hoesch, Düren, sowie die Zinkornamentenfabrik Kraus, Walchenbach & Peltzer in Stolberg gehörten. Hinzu kam der frühe Höhenflug des Aachener Industrierevieres. Um die steigende Nachfrage zu befriedigen wurde deshalb bereits im folgenden Jahr die Hütte erheblich erweitert und die lebenswichtige Rohstoffbasis durch den Ankauf eines 2/3 Anteils am Grubenfeld Diepenlinchen sowie der James-Grube weiter ausgebaut.

Bereits am 5. Juli 1845 erfolgte schließlich die Gründung der Aktiengesellschaft 'Société Anonyme des Mines et des Fonderies de Zinc de Stolberg'. Zu der illustren Mehrheit der von de Sassenay und Simon Oppenheim geworbenen französischen Investoren gehörten unter anderem der Bankier und ehemalige französische Wirtschaftsminister Alexandre Henry Gouin sowie der Gouverneur der Bank von Frankreich, Graf Antoine Maurice d'Argout - also ziemlich genau jenes Personal, welchem der größte Kritiker des Deuxième Empires, Emile Zola, in seinem Œuvre noch ein so wenig schmeichelhaftes Denkmal setzen sollte. Vorsitzender des Aufsichtrates wurde Simon Oppenheim, der für seine führende Rolle bei der Gründung der Gesellschaft vom preußischen König den Titel eines Commerzienrates erhielt. Generaldirektor wurde der Marquis de Sassenay.

Mit dem Erwerb der Kommanditgesellschaft de Sassenay trat die Aktiengesellschaft am 10. Mai 1846 in Funktion. Bereits im ersten Geschäftsjahr wurden großzügig Zinsen in Höhe von fünf Prozent sowie eine Dividende von 25 Francs pro Aktie ausgeschüttet. Zu viel. Weil diese Gelder nun fehlten, musste eine weitere wichtige Investition, eine Blei- und Silberhütte auf Münsterbusch zur Verhüttung der beim Bergbau ebenfalls anfallenden Bleierze und Silbervorkommen, bereits mit geliehenem Kapital finanziert werden. Als sich die Verbindlichkeiten der Gesellschaft im folgenden Jahr bereits auf rund 560 000 Talern beliefen, wurde die Auszahlung von Dividenden vorerst ausgesetzt und die Gewinne ausschließlich zur Schuldentilgung verwendet. Betriebswirtschaftlich war dies noch kein besorgniserregender Vorgang. Doch dann fielen, auch bedingt durch die Krise des Revolutionsjahres 1848, die Kurse. Und genau diese Entwicklung rief nun einen neuen Protagonisten auf den Plan. André Koechlin, Unternehmer aus Mühlhausen und ehemaliger Abgeordneter der französischen Deputiertenkammer, galt zu diesem Zeitpunkt als eine der einflussreichsten industriellen Persönlichkeiten Frankreichs. Als das Bankhaus Gouin, das fast die Hälfte der Stolberger Aktien hielt, 1852 zusammenbrach, gelang es ihm, als Liquidator dieses Aktienpaket günstig zu erwerben. Bereits im folgenden Jahr löste er in Stolberg als neuer Großaktionär Simon Oppenheim als Präsidenten des Verwaltungsrates ab.

Was waren Koechlins Pläne? Fest steht: Er kam nicht wie die Cockerills und andere als Industriepionier nach Stolberg, sondern als Spekulant, der seine Aktien zu einem möglichst hohen Kurs wieder abwerfen wollte. Im Idealfall mögen beide Seiten davon profitieren. Die Erkenntnis, dass dies nicht zwangsläufig so sein muss, ist hingegen so alt wie die Börsengeschichte. Welche Entwicklung das Engagement Koechlins bei der Stolberger Zink nehmen würde, war auch in diesem Fall zunächst nicht absehbar. Die Anfänge waren allerdings vielversprechend. Zusammen mit de Sassenay, der sich zunehmend als kongenialer Partner erweisen sollte, realisierte Koechlin mit der Gründung der 'Société de la Manufacture de Glace d'Aix-la-Chapelle', die eine Glasfabrik in der unmittelbaren Nähe der Zinkhütte betrieb, noch ein weiteres aussichtsreiches Großprojekt. Vor allem die weitere Entwicklung der Stolberger Glasindustrie, die noch heute zu den führenden in Deutschland zählt, sollte dieses Engagement zumindest nachträglich bestätigen.
Als dann noch Nachrichten von bedeutenden Erzaufschlüssen lanciert wurden, was durchaus nicht den Tatsachen entsprach, und 1853 erstmals wieder eine Dividende ausgezahlt wurde, erholten sich die Kurse und der Wert des von Koechlin erworbenen Aktienpakets stieg auf das dreifache des Einkaufspreises. Unter normalen Umständen wäre diese Luftblase wohl spätestens mit der Bilanz des folgenden Jahres geplatzt, doch dann bot sich Koechlin und de Sassenay noch eine Chance, die angekündigten Aufschlüsse zumindest nachträglich zu realisieren.

Der zweite Akt begann, als die beiden 1853 ihr Augenmerk auf die 'Anonyme Gesellschaft Rheinisch Westfälischer Bergwerksverein' richteten, eine von belgischen Anlegern gehaltene Gesellschaft, welche sich einigermaßen erfolglos um eine Wiederbelebung des traditionsreichen Erzbergbaus im sauerländischen Ramsbeck bemühte. Im August 1853 verkaufte die Gesellschaft ihr gesamtes Vermögen an Stolberg. Der Kaufpreis in Höhe von einer Million Talern galt schon zeitgenössischen Beobachtern als völlig überhöht, zumal auch noch die gesamten Schulden des Vereins übernommen wurden.
Dass es trotzdem zu dem wenig günstigen Abschluss kam, lag vor allem an einer weitgehenden Interessenidentität der Verhandlungspartner. Die drei Hauptaktionäre der Gesellschaft Rheinisch Westfälischer Bergwerksverein wurden mit Aktien der Société Anonyme des Mines et des Fonderies de Zinc de Stolberg großzügig abgefunden und erhielten einen Platz im Verwaltungsrat der Gesellschaft. De Sassenay und Koechlin hingegen verdienten an dem Geschäft, indem sie rund 4400 der 10 000 neu emittierten Aktien zum Nennpreis, also rund 33% unter dem tatsächlichen Ausgabepreis, selbst zeichneten und anschließend mit außerordentlich hohem Gewinn weiter veräußerten. Um diese regionale Ausdehnung der Geschäftstätigkeit auch in der Unternehmensbezeichnung Rechnung zu tragen, wurde diese noch im gleichen Jahr in Société Anonyme des Mines et des Fonderies de Plomb & de Zinc de Stolberg & de Westphalie umgewandelt.

Ob Koechlin und de Sassenay zu diesem Zeitpunkt bereits so tief in ihrer Finanzakrobatik verstrickt waren, dass selbst eine positive Entwicklung des Bergbaus in Ramsbeck sie nicht mehr hätte retten können, oder ob sie, bis hierhin erfolgreich, den Coup von 1853 noch einmal auf die Spitze treiben wollten, lässt sich heute nicht mehr eindeutig klären. Sicher allerdings ist, dass nun eine fieberhafte Aufbautätigkeit in Gang gesetzt wurde. Im Frühjahr 1854 kamen hunderte von Arbeitern nach Ramsbeck, welches einmal den „Bleihandel der Welt beherrschen“ sollte. Zu leitenden Direktoren und Mitarbeitern wurden in der Regel Günstlinge Koechlins und de Sassenays ernannt, welche vor allem die Übertageanlagen überwiegend inkompetent und planlos vorantrieben. Nur Bergbau wurde praktisch nicht betrieben. Neue Schächte wurden nicht angelegt, bereits vorhandene kaum erweitert. Das Ganze diente, wie sich nachträglich erweisen sollte, lediglich dem Schein einer ungeheuren Aufbauarbeit, die immer wieder neues Kapital mobilisieren sollte und musste. Die Kosten in Höhe von monatlich bis zu 180 000 Talern wurde durch eine Kapitalerhöhung auf 4 Millionen, Anleihen, Hypotheken und Kredite finanziert. Schließlich wurden, um die Aktionäre weiter bei Laune zu halten, Gerüchte von einem westfälischen Kalifornien lanciert. Als sich die Silbervorkommen, mit denen man in Analogie auf das gerade einsetzende Goldfieber in den USA anspielte, dann als vergleichsweise gering erwiesen, wurde mit Hilfe eingeschmolzener Silbertaler die Ausbeute den Erwartungen angepasst, während de Sassenay, Koechlin und andere Großaktionäre aus dem Verwaltungsrat an den Börsen ihre Stolberger Aktien anpriesen und zu Höchstpreisen verkauften.

Bis 1855 gelang es den Verantwortlichen den Ball am Laufen zu halte. Dann waren die letzten Reserven erschöpft. Am 29. März erklärte der Verwaltungsratsvorsitzende, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig sei. Vor allem aufgrund des Umstandes, dass es Koechlin einigermaßen erfolgreich gelang, de Sassenay für die verhängnisvolle Entwicklung verantwortlich zu machen, überstand er die Affäre zumindest in Frankreich ohne größeren Prestigeverlust. De Sassenay hingegen, dem allgemein die Rolle des alleinigen Sündenbocks zukam, schien mit seinem fluchtartigen Verhalten die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nur zu bestätigen. Acht Tage nach der Pariser Aktionärsversammlung wurde er zum letzten Mal in Aachen gesehen.

Aktiengesellschaft für Bergbau-, Blei- und Zinkfabrikation zu Stolberg und in Westfalen

Durch eine erneute Erhöhung des Aktienkapitals um 4 Millionen Taler in privilegierten Aktien, einer Umschuldung, die die Bilanzen noch bis zur Jahrhundertwende belasten sollte, sowie einer Reorganisation des Führungspersonals, gelang es, das Unternehmen zu retten. Neuer Generaldirektor wurde der Bankier Wilhelm von der Heydt, ein Bruder des preußischen Handelsministers August von der Heydt, deren Gesellschaft ebenfalls zu den Geschädigten gehörte. Vor allem dieser günstigen Konstellation war es wohl zu verdanken, dass die Gesellschaft überhaupt überlebte. Von der Heydt folgten bis 1906 Elias Landsberg, Jean Baptist Maas und Karl Leipold. Der zeitweise völlig zusammengebrochene Betrieb in Ramsbeck wurde unter dem erfahrenen Bergwerksdirektor Wilhelm Seel in den folgenden Jahren systematisch reorganisiert. Lediglich die 'Société de la Manufacture de Glace d'Aix-la-Chapelle' konnte nicht gehalten werden. 1857 wurde sie an die französische Compagnie de Saint-Gobain verkauft, die ihre Fühler ebenfalls gerade nach dem wirtschaftlich interessanten Aachen-Stolberger Raum ausstreckte.

Um den Neuanfang auch symbolisch zu unterstreichen, verlegte von der Heydt die Hauptverwaltung noch im Jahr 1855 von Stolberg nach Aachen. Ein von der Gesellschaft angestrengter Musterprozess gegen den alten Verwaltungsrat endete 1870 allerdings nur mit einem enttäuschenden Vergleich. Die Entschädigung, die das Unternehmen erhielt, belief sich lediglich auf 11.527 Taler. Trotzdem bildete der Ausgang eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung. Das Bankhaus Oppenheim, an der ganzen Malaise nicht ganz unbeteiligt, blieb dem Unternehmen eng verbunden und sollte sich noch bis 1969 als eine der wichtigsten Stützen der Gesellschaft erweisen. Und noch einen weiteren Effekt hatte die Aufarbeitung des Skandals. Das Unternehmen emanzipierte sich von seinen ausländischen Entwicklungshelfern. Bereits 1859 beschloss die Generalversammlung eine Statutenänderung, nach der mindestens sieben der zwölf Mitglieder des Aufsichtsrates Inländer sein sollten. Einen charakteristischen Ausdruck der gewandelten Machtverhältnisse bildete auch der Geschäftsbericht vom 28. Mai 1872, der, vor dem Hintergrund der nationalen Begeisterung der Reichsgründung, erstmals in Deutsch publiziert worden war. Die Unternehmensbezeichnung 'Aktiengesellschaft für Bergbau, Blei- und Zinkfabrikation zu Stolberg und in Westfalen' wurde im allgemeinem Sprachgebrauch ohnehin schon durchgehend verwendet.

Eine gewaltige Steigerung der Nachfrage bildete hingegen die Voraussetzung zum Abbau des Schuldenbergs. Der Umbau von Paris zu einer repräsentativen imperialen Metropole unter Haussmann erwies sich in diesem Zusammenhang als wichtige Zäsur. Die hier in großem Umfang verwendeten Fassadenverkleidungen und Ornamente aus Zink wurden stilbildend für die Belle Epoque. Am eigentlichen Paris-Geschäft konnte sich die Gesellschaft zwar nicht beteiligen – hier besaß die konkurrierende Vieille Montagne quasi ein Monopol – trotzdem bildete der Export in den folgenden Jahren eine bedeutende Einnahmequellen. Als der französische Markt dann an Bedeutung verlor, konnte er problemlos durch den inländischen ersetzt werden, wo die Nachfrage während der Gründerjahre geradezu explodierte. Um den steigenden Bedarf weiter bedienen zu können, wurde bereits 1860 eine von Ramsbeck alimentierte Hütte in Dortmund errichtet, die im aufblühenden Ruhrgebiet ihren Absatz fand. Die Phase der deutschen Hochkonjunktur von 1895 bis 1904 bildete dann zugleich den Zenit der deutschen Zinkindustrie als bedeutendster Produktionsstandort der Welt. Rund zehn Prozent der Welterzeugung wurde zu diesem Zeitpunkt allein von den beiden Stolberger Hüttengesellschaften geleistet. Die Entwicklung auf dem Bleisektor, dem sich durch die industrielle Entwicklung ebenfalls völlig neue Anwendungen in der Chemie und der Elektrotechnik erschlossen, verlief hierzu in etwa parallel.

Weniger günstig entwickelte sich hingegen die Rohstoffversorgung. Obwohl die beiden Hauptgruben Diepenlinchen und Ramsbeck inzwischen zu modernen Bergwerksbetrieben ausgebaut worden waren, konnte die Förderung schon bald nicht mehr mit der explodierenden Nachfrage mithalten. Der Abbau der Grube Mühlenbach bei Ehrenbreitstein, welche 1867 zur Gesellschaft gekommen war, entwickelte sich zunächst nicht so, wie geplant. Eine dauerhafte Lösung des Problems erhoffte man sich durch Konzessionen im Ausland, doch verbesserte der Erwerb einer ganzen Reihe von kleineren Zink- und Bleierzgruben in den spanischen Bezirken Jaën und am Cabo Gata bei Almeria (1872/1873), sowie der restlichen Anteile an Diepenlinchen, die Situation nur geringfügig. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung, um 1909, mussten jährlich bis zu zwei Drittel der erforderlichen Erze auf dem internationalen Markt aufgekauft werden. Noch gab es ausreichend Rohstoffe zu Preisen, die eine gewinnbringende Verhüttung gewährleisteten. Doch inzwischen begannen verschiedene Förderländer mit dem Aufbau einer eigenen Hüttenindustrie. Die Rohstoffe wurden teurer, während die Preise für Metalle langfristig fielen. Noch verschärft wurde diese Entwicklung durch die Gründung der London Metal Exchange (LME) im Jahr 1881. Ende des 19. Jahrhunderts hatte sie die Bedeutung einer Weltbörse erlangt, nach deren Notierungen die Metalle Blei, Zink, Kupfer und Zinn bewertet wurden. In der Praxis bedeutete dies, dass sich die Preise für Metalle und Erze in Deutschland nicht unbedingt nach den Prinzipien von Angebot und Nachfrage richteten, sondern unabhängig von der nationalen konjunkturellen Entwicklung von den zyklisch schwankenden beziehungsweise spekulativen Notierungen der LME beeinflusst wurden.

Eine grundlegende technische Voraussetzung für die Produktionsausweitung bildete ein neues Verfahren. In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte der Aachener Apotheker Wilhelm Hasenclever einen Röstofen, der erstmals die Verhüttung sulfidischer Zinkblende ermöglichte, um daraus in Bleikammern die begehrte Schwefelsäure zu gewinnen. Nachdem die oberflächennahen Galmeivorkommen inzwischen nahezu vollständig abgebaut waren, stellte das Verfahren die Erzeugung auf eine völlig neue Grundlage. Bist 1909 ließ die Stolberger Zink ihre Erze von Hasenclevers Chemischer Fabrik Rhenania lohnrösten. Danach wurden die Schwefelsäure- und Rösthüttenanlagen auf Münsterbusch in Eigenregie ausgebaut und weiterbetrieben. Die Kehrseite der ständigen Produktionsausweitung bildeten allerdings massive Umweltbelastungen. Metallischer Zinkstaub legte sich wie eine glänzende Schneedecke über die Umgebung. Hinzu kamen giftige Schwefel-, Arsen-, Kobald- und Nickelverbindungen. Auch immer höhere Schornsteine, wie der 1892 errichtete Lange Hein, konnten das Problem nicht mindern, da die Verdünnung der Emissionen durch die Produktionsausweitung schnell wieder kompensiert wurde. Für die noch gefährlicheren Bleihütten hatte man bis zur Entwicklung des QSL-Verfahrens in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts ohnehin nie eine wirklich befriedigende Lösung gefunden. So verging kaum eine Monat, in dem sich die Gesellschaft nicht mit zumeist berechtigten Forderungen geschädigter Anwohner herumschlagen musste, die mit teilweise langjährigen Entschädigungszahlungen endeten. Weniger begüterte Anlieger, die sich einen Prozess kaum leisten konnten, wurden üblicherweise auf dem Kulanzweg mit einigen Säcken Kartoffeln oder Kohlen beschwichtigt.

1906 wurde mit Victor Weidtman erstmals seit de Sassenay wieder ein Generaldirektor ernannt, der nicht dem Unternehmen entstammte. Zuvor hatte der gelernte Jurist als Oberbergrat in Dortmund bereits an der Entwicklung des modernen Knappschaftswesens mitgewirkt. Das 1893 begründete und für seine Zeit ungewöhnlich fortschrittliche „Jahrbuch Bergbau, Erdöl und Erdgas, Petrochemie, Elektrizität, Umweltschutz - ein europäisches Handbuch und Nachschlagewerk der Energie- und Rohstoffwirtschaft“ ging u.a. auf die Initiative Weidtmans zurück. In unternehmerischer Hinsicht war er danach als Direktor der Bergisch-Märkischen Bank in Erscheinung getreten. In Aachen übernahm Weidtman die Geschäftsführung zu einem Zeitpunkt, als die Branche gerade ihren Zenit überschritten hatte. Vereinzelte schwierige Phasen, wie während der Gründerkrise, hatte es schon immer gegeben, infolge der weltweit gestiegenen Kapazitäten entwickelten sich Nachfragerückgang und fallende Preise nun jedoch zu strukturellen Problemen. Eine zu diesem Zeitpunkt bereits erprobte Gegenmaßnahme bildeten Kartelle. Doch was auf nationaler Ebene in fast allen Branchen inzwischen die Regel war, ließ sich nicht ohne weiteres auf den internationalen Kreis der Zinkproduzenten übertragen. Was angesichts der vorherrschenden nationalen Ressentiments eigentlich niemand für möglich gehalten hatte, gelang Weidtman nach zähen Verhandlungen. 1909 wurden zunächst der deutsche Zinkhüttenverband und kurz darauf das internationale Zinkhüttenkartell aus der Taufe gehoben, dem nahezu alle deutschen, österreichischen, holländischen, belgischen, französischen und englischen Hütten angehörten. Die Beteiligungsziffern wurden vertraglich festgelegt und einheitliche Verkaufspreise geschaffen. Erst der Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte zur Kündigung dieser frühen nichtstaatlichen, internationalen Wirtschaftsvereinbarung, die der von Emil Mayrisch geschaffenen Internationalen Rohstahlgemeinschaft um fast zwanzig Jahre vorauseilte.

Ebenfalls im Jahr 1909 wurde das Unternehmen noch einmal um eine bedeutende Betriebsabteilung ergänzt. Das Emser Blei- und Silberwerk, eine Gründung der Industriellenfamilie Remy, galt zum Zeitpunkt des Erwerbs als eine der ergiebigsten Zink- und Bleierzgruben Deutschlands. Neben den Gruben Mercur, Bad Ems, und Rosenberg, Braubach, brachte sie noch eine moderne Blei- und Silberhütte sowie ein Walzwerk ein. Eine weitere Konsolidierung verhinderte dann jedoch der Erste Weltkrieg. Arbeitskräftemangel sowie der Fortfall von Importerzen führten schon bald zu einem Rückgang der Produktion. Bereits 1916 musste die Bleihütte Münsterbusch infolge dieser Schwierigkeiten geschlossen werden. Den Ausfällen in der Produktion standen zunächst allerdings sichere Absätze durch Bestellungen der Heeresverwaltung gegenüber. Infolge der allgemeinen Rohstoffkrise verschlechterter sich die Situation im Verlauf der zweiten Hälfte des Weltkrieges allerdings noch einmal erheblich. Hinzu kamen zunehmende Schwierigkeiten mit den Arbeitern, die im Hungerjahr 1917 massiv für angemessene Löhne eintraten und diese Forderungen im folgenden Jahr auch durchsetzten. Der anschließende wirtschaftliche Zusammenbruch infolge der militärische Niederlage wurde zwar nicht nur von der Betriebsleitung als Katastrophe empfunden, doch waren die Voraussetzungen für einen Neubeginn zumindest mittelfristig eigentlich gar nicht mal so schlecht. Nach dem Verlust der oberschlesischen Zinkindustrie musste deren Produktion nun durch die verbliebenen Hütten kompensiert werden. Die Abschnürung des besetzten Rheinlandes, die anhaltende Rohstoffkrise und die rasante Abwertung der Mark verhinderten jedoch vorerst eine wirtschaftliche Erholung. Hinzu kam die neue Sozialgesetzgebung der Weimarer Republik, welche, von den Arbeitgebern nach der Kapitulation zunächst noch mitinitiiert, in der Folge aber massiv bekämpft wurde. So wurden die Schließungen der Zinkhütte in Dortmund sowie des Bergwerks Diepenlinchen im Jahr 1919 bewusst mit den dortigen Lohnbewegungen in Verbindung gebracht, um die übrige Arbeiterschaft zu disziplinieren.

Im Gegensatz zu Privatpersonen verfügten Unternehmen aber auch Möglichkeiten, die Krise zu nutzen. Angesichts der galoppierenden Inflation betrieb auch die Stolberger Zink eine Flucht in die Sachwerte, nämlich in Aktien der konkurrierenden Rheinisch-Nassauischen Bergwerks- und Hütten AG. Als sich 1922 81% der Wertpapiere in Besitz der Stolberger Zink befanden, wurden die Unternehmen zu einer Betriebsgemeinschaft vereint, die 1926 in eine formale Übernahme mündete. Mit den Zinkhütten Birkengang und Nievenheim bei Neuss sowie der Bleihütte Binsfeldhammer wurde das Unternehmen damit noch einmal um einige wichtige Abteilungen erweitert, welche die zuvor geschlossenen Anlagen mehr als ersetzten. Darüber hinaus stieß man mit der Vereinigte Blei- und Zinkwerke GmbH, an der Rhein-Nassau beteiligt war, erstmals auch in den weiterverarbeitenden Bereich vor. Noch wichtiger war allerdings der Grubenbesitz. Rhein-Nassau galt zwar als die kleinere der beiden Gesellschaften, in gewisser Hinsicht jedoch auch als die feinere, da sie ihre Produktion zu einem verhältnismäßig größeren Teil aus eigenen Zechen deckte. Vor allem in wirtschaftlich guten Jahren übertraf die Dividende Rhein-Nassaus jene der Stolberger Zink teilweise beträchtlich. Zu dem wertvollen Bergbesitz gehörten u.a. die Gruben Weiss bei Bensberg, Ernst bei Wiesloch sowie die traditionsreiche Zeche Holzappel bei Laurenburg, die schon Goethe zu seinen montanwissenschaftlichen Betrachtungen angeregt hatte.

Graphik: Zinkhütte Nievenheim bei Neuss, um 1961
(Bildquelle: Die Hütten der Stolberger Zink AG, Aachen, um 1961.)

Noch im gleichen Jahr wechselte Weidtman in den Aufsichtrat. Ihm folgten sein Schwiegersohn Hugo Cadenbach sowie Bergassessor Otto Kalthoff. Ihr Hauptaugenmerk während der kurzen konjunkturellen Erholungsphase nach der Einführung der Rentenmark galt der Rationalisierung der Produktion, um technisch und wirtschaftlich nicht den Anschluss zu verlieren. Die Zechen wurden grundlegend modernisiert, alte Halden mit neuartigen Floatationsanlagen noch einmal aufgearbeitet - eine Technik, in der die Bergingenieure der Stolberger Zink schon bald führend waren. Geradezu revolutionär war eine geplante Innovation im Hüttenbereich. Die Zinkelektrolyse, ein neues Verfahren auf hydrometallurgischer Basis, begann den herkömmlichen Muffelanlagen Konkurrenz zu machen. Die weitere Entwicklung der neuen Technologie wurde bei der Stolberger Zink aufmerksam verfolgt, doch kam man schließlich zu dem Ergebnis, dass das Verfahren aufgrund der hohen Anlage- und Selbstkosten vorerst keine Alternative darstellte. Stattdessen wurden die bewährten Muffelanlagen noch einmal auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Gasbefeuerte Öfen auf Braunkohlebasis ersetzten die teuren Steinkohleanlagen, das nach dem Stolberger Hüttendirektor benannte Thede-Verfahren zur Einschmelzung von Zinkstaubrückläufen steigerte die Ausbringung noch einmal um rund zehn Prozent.

Die Rationalisierungsmaßnahmen waren noch nicht abgeschlossen, als die Weltwirtschaftskrise alles Erreichte wieder infrage stellte. Bereits vor dem Schwarzen Freitag hatten sich die Probleme verschärft. Belgische und polnische Produzenten konnten aufgrund niedrigerer Löhne und geringer Brennstoffpreise preiswerter produzieren und warfen ihre Produkte auf den deutschen Markt. Hinzu kam die protektionistische Zollgesetzgebung zahlreicher Staaten. 1931 waren Deutschland, Belgien und die Niederlande die einzigen Länder, die noch Zink- und Bleiimporte zuließen. Diese Entwicklung war durch Modernisierungen nicht mehr zu kompensieren. Um die deutsche Metallindustrie vor den verzerrenden Wettbewerbsbedingungen zu schützen, bemühten sich die Produzenten um einen Einfuhrzoll, doch verhinderte die Reparationspolitik Heinrich Brünings vorerst jede politische Intervention. Die Folgen waren dramatisch. Nach und nach mussten die Gruben und Hütten geschlossen werden: 1929 Wiesloch, 1930 Holzappel, Weiss und Rosenberg, 1931 Ramsbeck, Nievenheim und Birkengang. Grundstücke wurden zu einem Bruchteil ihres tatsächlichen Wertes verkauft, die Personalstärke fiel von rund 6000 Mitarbeitern auf unter 2000. Dann waren die letzten Reserven verbraucht.

In dieser aussichtslosen Situation stellte der Vorstand 1931 den Antrag, den Betrieb einzustellen. Die erhoffte Reaktion blieb nicht aus. Der Niedergang der deutschen Zink- und Bleiindustrie hätte die deutsche Volkswirtschaft Devisen in Millionenhöhe für entsprechende Importe gekostet, so dass Berlin schließlich doch noch intervenierte. Um die Metallhüttenindustrie zu retten, wurde ab dem 1. Juli 1932 die Differenz zwischen den Selbstkosten und Erlösen durch staatliche Zuschüsse ausgeglichen. Nach der Machtergreifung Hitlers wurde diese Unterstützung seit 1934 im Rahmen der nationalsozialistischen Autarkiepolitik unter leicht veränderten Konditionen weiter fortgesetzt.

Stolberger Zink – Aktiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb

Das Eingreifen der Politik hatte die Gesellschaft gerettet. Allerdings hatte sie damit auch ihre Unabhängigkeit verloren. Zukünftig saß in allen Aufsichtsratssitzungen ein Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums, Ministerialdirigent Kurt Pasel, mit weitreichenden Befugnissen mit am Tisch, was angesichts der weiteren politischen Entwicklung noch Folgen haben sollte. Solange eine weitgehende Interessenidentität der Unternehmensleitung mit der NS-Planwirtschaft herrschte, konnte und musste man sich damit arrangieren. Allerdings kann auch gesagt werden, dass die Mehrheitsfraktion in der Unternehmensleitung und im Aufsichtsrat - im Gegensatz zu den bekannten Vertretern der Ruhrlade und des Düsseldorfer Industrieclubs - weder in finanzieller noch ideeller Hinsicht zu den Sympathisanten oder Förderern Hitlers zählte.

Noch eine weitere bedeutende Veränderung ergab sich im Jahr 1934. Otto Wolff wurde neuer Mehrheitsaktionär. Bereits 1923 hatte sich der Industrielle in die Gesellschaft eingekauft und fünf Jahre später das Unternehmen durch die Vermittlung eines günstigen Darlehens über drei Millionen Gulden massiv gestützt. Nun war es ihm gelungen, zwei Stolberger Aktienpakete von der ebenfalls mit ihm verbundenen Mansfeld AG sowie der Frankfurter Metallgesellschaft zu übernehmen. Damit hielt er rund 53 Prozent des Aktienkapitals in seinen Händen. Die Gründe für den Erwerb der Stolberger Zink, welche auf den ersten Blick so gar nicht in den zuweilen auch spöttisch als ‚Gemischtwarenladen’ bezeichneten Konzern passen wollte, sind nicht ganz klar. Vermutlich muss man die Motive auch nicht in der Stärke, sondern eher in der Schwäche des inzwischen selbst völlig überschuldeten Unternehmens suchen. Um die Zerschlagung abzuwenden, war Otto Wolff bereits Anfang 1934 auf staatlichen Druck weitgehend entmachtet worden. Neuer starker Mann wurde Rudolf Siedersleben, der für das Reichswirtschaftsministerium die Kontrolle ausübte.

Der Verdacht einer Staatsintervention liegt also nahe und hängt wohl unmittelbar mit der Produktion von Schwefelsäure des Typs 66° bé zusammen, der für die Herstellung von Explosivstoffen unentbehrlich war. Damit wäre die Stolberger Zink als Lieferant eines kriegswichtigen Rohstoffes in den Focus der NS-Welteroberungspläne geraten. In Verbindung mit den Subventionsbestimmungen bedeutete die Übernahme jedenfalls de facto eine Entmachtung des Aktionärskreises um den inzwischen verstorbenen Generaldirektor Victor Weidtman, in deren Verlauf noch im gleichen Jahr der ehemalige jüdische Aufsichtsratsvorsitzende und Begründer des Rheinischen Braunkohlebergbaus, Paul Silverberg, Direktor Hugo Cadenbach sowie der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, Friedrich Herbst, gehen mussten. Neuer alleiniger Vorstandsvorsitzender wurde noch im gleichen Jahr Otto Kalthoff, ein Cousin Otto Wolffs. Ungeachtet dieser mutmaßlichen realpolitischen Hintergründe lag der Anschluss an eine große Muttergesellschaft aber auch in der Luft. Die wichtigsten Konkurrenten, die Berzelius Metallhüttengesellschaft, Duisburg, die Unterharzer Berg- und Hüttenwerke GmbH im Harz, sowie die AG des Altenbergs, Essen, waren schon längst an einen starken Partner angelehnt.

Eine staatlich verbürgte Anleihe in Höhe von 6,6 Mill. RM bildete nach dieser 'Säuberung' die Voraussetzung für den Wiederaufstieg der Gesellschaft als Erfüllungsgehilfin der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik. Die aufgegebenen Hütten und Zechen wurden wieder in Betrieb gesetzt, der Grubenbesitz noch einmal um das Erzbergwerk Schauinsland bei Kappel vermehrt. Ebenfalls hinzu kam noch die Bergwerks-Aktiengesellschaft Pirin, Sofia, ein Gemeinschaftsunternehmen der bulgarischen Granitoid, der Felten und Guilleaume Karlswerk AG und des Otto Wolff-Konzerns zur Förderung von Bleizinkvorkommen in den Rhodopen. Die technische Planung des Projektes lag seit 1939 bei der Stolberger Zink, die dafür ein Recht auf den Bezug der Erzkonzentrate erhielt. Von einer technischen Modernisierung der Zinkproduktion wurde vor dem Hintergrund der Scheinblüte des nationalsozialistischen 'Wirtschaftswunders' allerdings erneut abgesehen. Angesichts des Millionenheeres an billigen Arbeitskräften war dies weder erforderlich, noch entsprach es der nationalsozialistischen Beschäftigungspolitik.

Das nationalsozialistische Aktiengesetz, das in seinen wesentlichen (Führer-)Prinzipien bis 1965 gültig blieb, machte 1938 eine Statutenänderung erforderlich, in deren Verlauf sich die Gesellschaft auch einen neuen Namen gab. Das inzwischen überholte 'zu Stolberg und in Westfalen' wurde eliminiert. Übrig blieb das kernigere 'Stolberger Zink - Aktiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb', das in seiner Prägnanz eher dem Zeitgeist entsprach und darüber hinaus sowohl im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit als auch geographisch keine Grenzen mehr steckte. Bereits unmittelbar zuvor hatte man in diesem Sinn bereit Fakten geschaffen. Zunächst bei der 'Arisierung' des Druckplattengeschäfts Hermann Schoembs & Co. (1937), das den Kern der später außerordentlich erfolgreichen Münsterbuscher Offsetblechplattenprodukton bildete, und schließlich im Fall des Inlandsgeschäftes der Kölner Metallhandelsgesellschaft Lissauer & Cie., welches man 1938 u.a. in Kooperation mit dem Mutterkonzern, die Notlage eines langjährigen jüdischen Geschäftspartners ausnutzend, für einen Bruchteil des tatsächlichen Wertes erworben hatte.

Die Realisierung noch weitergehender Ambitionen verhinderte dann allerdings der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Nach der Schließung der Londoner Metallbörse am 1.9.1939 wurden in Deutschland Höchstpreise für Zink- und Blei festgesetzt, die an der grundsätzlichen Unwirtschaftlichkeit der Produktion nichts änderten. Das Unternehmen blieb am Tropf der nationalsozialistischen Planwirtschaft. Die Erzeugung der Gruben blieb von 1938-1943 praktisch unverändert, wenn auch unter dem kriegsüblichen Verzicht auf Aus- und Vorrichtungsarbeiten. Die Hüttenproduktion stagnierte in den zentralen Bereichen Rohzink und Weichblei ebenfalls. Im Zinkwalzwerk, das vorwiegend für den zivilen Sektor produzierte, trat nach 1942 sogar ein außerordentlich starker Auftragsrückgang ein. Lediglich die Produktion der Schwefelsäure 66° bé verzeichnete eine Zunahme um rund 800%. Grundlegende Voraussetzung für die relative Stabilität der Produktion war die ebenso zahlreiche wie zunehmend bedenkenlose Beschäftigung von Fremd- und Zwangsarbeitern. Bereits im Ersten Weltkrieg hatte das Unternehmen erste Erfahrungen mit dem Einsatz von laut Geschäftsbericht „freiwilligen“ Kriegsgefangenen gemacht. Nun sollte diese Praxis völlig neue Dimensionen erreichen. Der Einsatz begann nach dem Polenfeldzug und wurde entsprechend dem Kriegsverlauf um zahlreiche neue Kontingente ausgeweitet. Die Versorgung, besonders der Ostarbeiter, war durchgehend schlecht und ist an anderer Stelle bereits thematisiert worden. Eine vollständige Aufstellung der bei der Stolberger Zink beschäftigten Fremd- und Zwangsarbeiter existiert nicht. Für die Stolberger Hütten wurden zuletzt 367 Personen ermittelt. Wesentlich umfangreicher muss der Einsatz im Bergbau gewesen sein. Allein in Ramsbeck schufteten zeitweise rund 400 ausländische Arbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Im September 1944 erreichten die ersten amerikanischen Truppenkontingente Stolberg. Die Bilanz am Ende des Krieges sah folgendermaßen aus: Die Rösthütte und die Schwefelsäurefabrik in Münsterbusch waren zerstört, die Reduktionshütte war schwer beschädigt. Mit geringeren Schäden davongekommen waren das Walzwerk Münsterbusch, die Zinkhütte Nievenheim und die Bleihütte Binsfeldhammer. Die Grubenbetriebe hatten zwar aus Kampfhandlungen keinen Schaden erlitten, doch waren die indirekten Zerstörungen zum Teil beträchtlich. Wiesloch, Holzappel und Mercur waren abgesoffen. Vollständig verloren war die Bergwerksaktiengesellschaft Pirin. Zahlreiche Mitarbeiter waren gefallen, verwundet, in Kriegsgefangenschaft oder kehrten aus anderen Gründen nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück. Auf der Leitungsebene war das Unternehmen praktisch handlungsunfähig. Generaldirektor Kalthoff war von den Alliierten zeitweise interniert worden. Er starb kurz nach seiner Entlassung am 27. Februar 1947. Curt Pasel war 1944 ein Opfer der Kriegsereignisse geworden. Rudolf Siedersleben starb am 25. Juli 1946 in einem englischen Internierungslager, wo er sich u.a. für seine Devisengeschäfte mit geraubten jüdischen Wertpapieren zu verantworten hatte. Otto Wolff war bereits 1940 der Fettsucht erlegen.

Das Geschäftsjahr 1945 war das hundertste seit der Unternehmensgründung und sollte entsprechend begangen werden. Nun stand man vor ganz anderen Problemen. Erst nach Kriegsschluss konnte mit den Reparaturarbeiten begonnen werden. Die Gruben und Hütten litten unter der unzureichenden Versorgung mit Strom und Kohle sowie an Arbeitermangel. Hinzu kam eine völlige Unsicherheit bezüglich der weiteren Zukunft. Das Unternehmen stand unter der Aufsicht des Amtes für kontrollierte Vermögen ('Property Control') und der North German Iron and Steel Control. Zumindest in einer Hinsicht brachte die sich anbahnende Verschärfung des West-Ost-Konfliktes allerdings schon frühzeitig Gewissheit: Die Stolberger Zink würde nicht als Reparationsleistung an die Siegermächte gehen. Ohne den Grubenbesitz, der ja nicht demontiert werden konnte, waren die Hüttenanlagen für die Siegermächte wertlos. Stattdessen förderten die englischen Besatzungbehörden die Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten schon frühzeitig mit einem „Unconditional Credit“ in Höhe von 2 000 000 RM. Im Verlauf der weiteren Verschärfung des Kalten Krieges erlangte die Gesellschaft dann auch bei den übrigen Besatzungsmächten einen zunehmenden Stellenwert als Partner in der Rohstoffversorgung der freien Welt und wurde mit der 1948 einsetzenden Marshallplanhilfe entsprechend umfassend gefördert. Die ursprüngliche alliierte Absicht, die Stolberger Zink im Rahmen der geplanten Entflechtung der Muttergesellschaft wieder in die Unabhängigkeit zu entlassen, wurde mit dem Wandel der politischen Verhältnisse und dem Eintritt des jungen Otto ('Ötsch') Wolff von Amerongen in die Geschäftsleitung ebenfalls schnell wieder zu den Akten gelegt.

Unter diesen veränderten Voraussetzungen spielten ursprüngliche alliierte Kriegsziele schon bald keine Rolle mehr. Neuer Vorstandsvorsitzende wurde der belastete, aber unentbehrliche Hermann Falk, der als Vertreter Otto Kalthoffs bereits an den 'Arisierungen' der Firmen Lissauer und Schoembs beteiligt gewesen war. Nun legte man sich in den Restitutionsangelegenheiten schon frühzeitig auf eine dilatorisch-legalistische Strategie fest („Wir haben keinerlei Nötigung ausgeübt“), die einen Vergleich mit den Opfern jahrelang verzögerte. Damit war die Sache erledigt und man konnte sich endgültig wieder der Zukunft zuwenden. Inzwischen hatten sich die Verhältnisse weiter stabilisiert, so dass die schlimmsten Kriegsschäden nach und nach beseitigt werden konnten. Lediglich die Stolberger Rösthütte sowie die Grube Mercur mussten aufgegeben werden. Die Währungsreform bildete schließlich die endgültige Voraussetzung für den Wiederaufbau. Weiter angeheizt wurde der Boom noch durch die steigende internationale Nachfrage infolge des Koreakriegs. Damit rückte erneut der Bergbau in das Blickfeld der Verantwortlichen. Die Förderung wurde durch neu entwickelte Förderbänder, Schrapperanlagen und Bohrverfahren noch einmal optimiert, die Aufbereitung von Erzen mit modernen Sinkscheideanlagen dem Stand der Technik angepasst. Bei der Zentralen Aufbereitungsanlage in Bad Ems, welche die Erze der Lahngruben aufbereitete, wurden Verbesserungen im Floatationsbetrieb eingeleitet und eine Versuchsanstalt für die technische Aufbereitung schwieriger Erze eingerichtet. Hinzu kamen bis 1950 die kleineren Bleizinkerzgruben Camilla bei Norath und Theodor bei Tellig, sowie der Maubacher Bleiberg bei Düren.

Beim Maubacher Bleiberg, der eigentlich gar kein Berg ist, handelte es sich um ein Massenvorkommen armer Blei- und Zinkerze, welches bereits 1901 an die Gesellschaft gelangt war, dessen Abbau aufgrund des geringen Metallgehalts der Erze über einige Untersuchungsarbeiten jedoch nicht hinausgekommen war. Nun wurde die Lagerstätte mit neuester Förder- und Aufbereitungstechnik zur zentralen Bleierzgrube der Gesellschaft entwickelt. 1955 wurde mit dem Bau einer Tagebau- und Aufbereitungsanlage für eine Förderung von 2000 bis 3000 t Roherz pro Tag begonnen. Bei seiner Fertigstellung war der Maubacher Bleiberg als gleisloser Tagebaubetrieb einer der modernsten Bergwerksaufschlüsse Deutschlands. Zwar blieb das Unternehmen auch weiterhin auf den Bezug teurer ausländischer Konzentrate angewiesen, doch trug der Maubacher Bleiberg bis zu seiner Schließung im Jahr 1969 wesentlich zur Wirtschaftlichkeit des Konzerns bei.

In Stolberg stand zunächst die Bleihütte Binsfeldhammer auf der Prioritätenliste. Zu Zeiten von Rhein-Nassau zählte die Hütte aufgrund der bahnbrechenden Entwicklungsarbeiten Félix von Schlippenbachs auf dem Gebiet der Bleiröstung einmal zu den bedeutendsten Anlagen Europas Nun jedoch galt sie als veraltet. 1955 entschied sich der Vorstand für einen Umbau, der praktisch einem Neubau gleichkam. Nach Abschluss der Maßnahmen, 1960, galt die Hütte mit einer Kapazität von jährlich 52 000 t Blei und einer angeschlossenen Schwefelsäurefabrik schon wieder als eine der leistungsfähigsten in Deutschland. Einen vorläufigen Abschluss der Rationalisierungsarbeiten bildete schließlich der Plan für eine Modernisierung der Zinkproduktion. Zur Realisierung dieses Projektes kam es jedoch nicht mehr. Lediglich die Ofenarbeit, die zu den härtesten in der Schwerindustrie gehörte und für die bei vergleichbar bescheidenen Löhnen kaum noch Arbeiter gefunden werden konnten, wurde durch den Einsatz von automatischen Räum- und Ladeanlagen noch einmal weitgehend mechanisiert. Damit war die letzte Entwicklungsstufe dieser bereits veralteten Technologie erreicht. Gleichzeitig den Bergbau und die Verhüttung zu modernisieren, überstieg die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft. Außerdem machte sich bereits Mitte der fünfziger Jahre schon wieder ein bekanntes Problem bemerkbar: Die Metallpreise.

Graphik: Bleihütte Binsfeldhammer, um 1961.
(Bildquelle: Die Gruben der Stolberger Zink AG, Aachen, um 1961.)

Die neuerliche Krise auf dem Höhepunkt des deutschen Wirtschaftswunders kam nicht überraschend. Es waren die gleichen Gründe, die schon in den zwanziger und dreißiger Jahren der Metallproduktion in Deutschland das Leben schwer gemacht hatten. Nur die im Verlauf des Korea-Kriegs von den USA intensivierten Stock-Pile Käufe zur Schaffung strategischer Metallreserven hatten noch eine zeitlang über diese Situation hinweggetäuscht. Mit deren Einstellung im Jahr 1957 aber brachen die Londoner Notierungen für Blei und Zink erneut ein. In Deutschland führte dies zu der absurden Situation, dass die Metallpreise trotz eines noch steigenden inländischen Verbrauchs fielen. Die Branche reagierte darauf wir zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise und verlangte Unterstützungen in Form von Subventionen, Steuerbefreiungen und besonderen Abschreibungsmöglichkeiten. Doch wie seine Weimarer Vorgänger blieb Wirtschaftsminister Ludwig Erhardt zunächst hart. Eine Abkehr von der liberalen Handelspolitik konnte sich die exportorientierte deutsche Wirtschaft nicht leisten.

Einen Ausweg aus der Strukturkrise bildete die Erschließung neuer Geschäftsfelder. So war die Stolberger Zink seit dem Erwerb der Vereinigte Blei- und Zinkwerke GmbH und der Druckplattenfabrikation eigentlich kaum weiter in den Bereich der Weiterverarbeitung vorgestoßen. Vor allem unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden Heinrich Hehemann, ein Schwager Otto Wolff von Amerongens, der 1958 die Nachfolge Falks angetreten hatte, entfaltete sich nun eine grundlegende Neuausrichtung des Unternehmens. Den ersten Schritt bildete der weitere Ausbau der bereits vorhandenen Gesellschaften, deren Wertschöpfungskette schließlich bis in den Vertrieb reichte. 1960 wurde mit einem englischen Partnerunternehmen die Zincoli, Gesellschaft für Zinkstaub mbH, gegründet, die auf Münsterbusch für die Farbenindustrie produzierte. Zur Verwertung der beim Maubacher Bleiberg anfallenden Kalksande beteiligte sich die Stolberger Zink 1956 an der Dürener Kalksteinwerk Schenking KG. Eine 1962 eingegangene Verbindung mit der Betonwerk Niederrhein GmbH, die vorwiegend Fertiggaragen herstellte, diente vor allem dem Absatz von Zinkblechen. Das 1964 begonnene Engagement bei der Heinrich André KG für feuerfeste Erzeugnisse und Baukeramik, Wanne-Eickel, führte zur Produktion von basischen Baustoffen aus Magnesit und Chrommagnesit für Stahlkonverter. Sogar aus Dreck gelang es zuweilen noch Geld zu machen. So wurden die alten Bergehalden nun teilweise für den Straßenbau verwendet oder gingen in die Niederlande, wo sie bei der Neulandgewinnung genutzt wurden.

International ergänzt wurden diese Zukäufe durch die Wiederaufnahme des Auslandsbergbaus, der bereits unter Hermann Falk initiiert worden war. Nach den positiven Erfahrungen in Spanien und der immerhin erfolgreichen Aufbauarbeit in Bulgarien sollte, auch vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Erschöpfung der Lagerstätten in Deutschland, nun eine Internationalisierung der Tätigkeit die Zukunft der Gesellschaft sichern. Doch inzwischen hatten sich die Verhältnisse gewandelt. Als die Stolberger Zink in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Almeria und Jaën tätig wurde, gehörte man noch zu den Pionierunternehmen. Nun jedoch hatten einheimische oder große angelsächsische Bergbauunternehmen wie die Rio Tinto-Group die Welt bereits weitgehend unter sich aufgeteilt. Was blieb, waren die Hoffnung auf Neuaufschlüsse und kleinere Vorkommen, die für die mächtigen Konkurrenten uninteressant waren. Doch genau hier lag auch die Chance für die Stolberger Zink. Gerade weil man es angesichts der bescheidenen deutschen Verhältnisse gewohnt war, auch aus unergiebigen Lagerstätten stets maximale Erträge zu fördern, gehörten die Stolberger Bergingenieure und Hüttenleute zu den besten der Welt. Außerdem ging es ohnehin zunächst einmal nur darum, in verschiedenen montanwirtschaftlich interessanten Ländern Fuß zu fassen, was die Verantwortlichen allerdings auch nicht davon abhielt, zumindest gelegentlich einmal von Gold, Platin oder Diamanten zu träumen. Mit viel Engagement plante die Gesellschaft zur Mitte der fünfziger Jahre in Spanien, Italien und Südafrika einige Projekte, welche die in sie gesetzten Hoffnungen allerdings nur selten erfüllten. Entweder erwiesen sich die Lagerstätten von vornherein als förderunwürdig, oder die fallenden Metallpreise machten bereits erschlossene Gruben wieder unrentabel. Lediglich die Minex (Pty.) Ltd., Johannesburg, an der die Stolberger Zink zu 45 Prozent beteiligt war, konnte sich mit einigen bergbaulichen Aktivitäten im südafrikanischen Raum zumindest bis 1969 halten.

Wesentlich erfolgreicher war hingegen eine andere Gründung. Die Stolberg Ingenieurberatung/Consulting Engineers for Mining and Smelting, bündelte bei einem Minimum an Personal und Kosten das gesamte hütten- und bergtechnische Know-how der Gesellschaft. Nach den eher ernüchternden Erfahrungen in Spanien und Südafrika konzentrierte sie sich vorrangig auf die Beratung eingesessener Unternehmen und Gesellschaften in Entwicklungsländern. Bis 1985 war die Stolberger Ingenieurberatung unter anderem in Mexiko, Neu-Guinea, Indien, Jugoslawien, Burma, China und Bolivien tätig und trug damit auch zum Aufbau moderner industrieller Strukturen in diesen Ländern bei. Ihre Dienstleistungen reichten von der Prospektion und Exploration von Lagerstätten über mineralogische Analysen bis zur Entwicklung von kompletten Zechen und Hütten. Auch waren Mitarbeiter in den siebziger Jahren an der Erforschung erzhaltiger Manganknollenfelder im Pazifik beteiligt. 1978 förderte ein internationales Konsortium unter Beteiligung der Stolberger Ingenieurberatung erstmals mehrere hundert Tonnen Manganknollen aus über 5000 m Tiefe. Einen wirtschaftlichen Nachweis konnte der Unterwassertagebau bisher zwar nicht erbringen, doch ist der metallurgische Wert der Knollen auch vor dem Hintergrund der inzwischen wieder steigenden Nachfrage zumindest wieder in das Blickfeld der Metallindustrie geraten.

Stolberger Zink – Aktiengesellschaft

Spezialisierung und Forschung bildeten eine weitere Möglichkeit, das Unternehmen an die veränderten volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Vor allem das Stolberger Metall-Laboratorium entwickelte bis 1965 eine ganze Reihe von Innovationen im Bereich der Druckgusslegierungen und der Offsetplattenproduktion. Geradezu revolutionär war die Einführung einer neuen walzbaren Legierung, die um 1960 zur Marktreife gelangt war: das Titanzink. Dieser neue Werkstoff, nicht ganz unbescheiden und metallurgisch unkorrekt STZ-Metall genannt, hielt endlich, was das herkömmliche Hüttenzink seit mehr als einem Jahrhundert vergeblich versprochen hatte. Dauerstandfestigkeit und Duktilität machten das Material zu einem idealen Werkstoff für die Bauindustrie.

Nach der positiven Marktaufnahme des STZ-Metalls gründete die Stolberger Zink deshalb 1964 zusammen mit der Aktiengesellschaft für Zinkindustrie, vorm Wilhelm Grillo in Duisburg Hamborn, ein Tochterunternehmen der Metallgesellschaft, die Studiengesellschaft für Metallverarbeitung GmbH, aus der 1969 die Rheinische Zinkwalzwerk GmbH, Datteln (Rheinzink), hervorging. Bis 1966 stieß als dritter Gesellschafter noch die Vereinigte Deutsche Metallwerke AG hinzu, die ebenfalls zum Umfeld der Metallgesellschaft gehörte. Nur durch diese Kooperation war es zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch möglich, in der Bundesrepublik ein leistungsfähiges Walzwerk für Titanzink nach den neuesten technischen Erkenntnissen zu errichten. Mit dem Bau des größten und modernsten Zinkwalzwerks der Welt wurde 1967 begonnen. Unter anderem wurde hier das traditionelle Paketwalzverfahren erstmals durch die innovative Technologie der kontinuierlichen Breitband-Gieß-Walzstraße ersetzt. Zwei Jahre später wurde die Produktion aufgenommen und schnell ausgeweitet. Heute verfügt die Rheinzink über eine Fertigungskapazität von cirka 160.000 Jahrestonnen. Zum Vergleich: 1961 erreichte dass Zinkwalzwerk Münsterbusch einen Produktionsrekord von 11519 Jahrestonnen. Beliefert wurde das Walzwerk ebenfalls von der Metallgesellschaft, die seit 1965 über ihre Beteiligung an der Duisburger Berzelius Metallhütten GmbH über eine moderne Zinkhütte nach dem New-Yersey-Feinzinkverfahren verfügte. 1969 folgte die noch modernere Zinkelektrolyse der Ruhr-Zink GmbH in Datteln, die ebenfalls mehrheitlich zum Frankfurter Konzern gehörte.

Dazu umgekehrt proportional entwickelte sich der Abbau traditioneller, inzwischen aber unrentabler Geschäftsfelder. Bergbau auf Erz, das war inzwischen klar, hatte sich in Deutschland nach rund zwei Jahrtausenden endgültig zu einem Anachronismus entwickelt. Die bedeutendsten Gruben waren erschöpft oder ihr Abbau wurde immer schwieriger, weniger ergiebige Lagerstätten waren schon angesichts der steigenden Lohnkosten in Deutschland wirtschaftlich nicht mehr zu betreiben. Allein in den Jahren von 1954 bis 1967 verringerte sich die Zahl der deutschen Nichteisenmetall-Bergwerke von 21 auf sieben. Hinzu kam die weitere Verschärfung der Angebots- und Nachfragekrise. Die Jahre 1962 und 1963 markierten bei den Metallpreisen noch einmal neue Tiefst- und bei den Erzen und Konzentraten bisher unbekannte Höchststände. Das Ende der deutschen Metallhüttenindustrie wurde in der Fachliteratur bereits an die Wand gemalt, als das Bundeskabinett 1963 auf Druck der notleidenden Gesellschaft schließlich doch noch eine einstweilige Übernahme der Hälfte der aus dem Zink- und Bleierzbergbau resultierenden Verluste verabschiedete. Die sofortige Schließung der noch verbliebenen Zechen wäre hierzu die einzige Alternative gewesen, doch letztlich kam die Ünterstützung zu spät. Schauinsland, Holzappel und Wiesloch waren bereits 1953/1954 geschlossen worden, es folgten die Floatationsanlage Weiss/Bensberg (1957), Mühlenbach (1960), Rosenberg (1963) sowie der Maubacher Bleiberg, der 1969 planmäßig infolge der Erschöpfung der Erzvorräte aufgegeben wurde. Lediglich Ramsbeck blieb zur Versorgung der Bleihütte Binsfeldhammer vorerst noch in Betrieb. Der Versuch, das Bergwerk als Lehr- und Forschungsgrube mit zusätzlichen staatlichen Leistungen zu sichern, schlug trotz einer unmittelbaren, nicht ganz branchenüblichen Intervention Hehemanns beim Bundespräsidenten Heinrich Lübke allerdings fehl. Zwar stieß das Anliegen bei dem gebürtigen Sauerländer, dessen Schwiegervater rund drei Jahrzehnte in der Verwaltung der Zeche gearbeitet hatte, durchaus auf Sympathie, doch war das Wirtschaftsministerium zu weiteren Zugeständnissen nicht bereit.

Die Krisenjahre 1962 und 1963 brachten schließlich auch das Ende für die Reduktionshütte in Nievenheim. Und schließlich, 1967, wurde die Keimzelle des Konzerns, die inzwischen hoffnungslos veraltete Zinkhütte Münsterbusch aufgegeben. „Das Verfahren der liegenden Muffel ist überholt“ teilte die Geschäftsleitung lapidar mit. Den ständig steigenden Betriebskosten standen weiter rückläufige Metallpreise gegenüber. Hinzu kam die Änderung der Verbraucheransprüche, die sich immer stärker von Hüttenzink auf Feinzink verlagert hatte. Nostalgiker mochten das Ende bedauern, eine Alternative dazu gab es realistischerweise nicht. Auch bedeutete die Schließung nicht, wie gelegentlich kolportiert wird, den Anfang vom Ende, sondern versprach viel mehr einen Neuanfang: Nach der Abwicklung des Bergbaus und der veralteten Hütten verfügte das Unternehmen wieder über eine wettbewerbsfähige Struktur, deren Schwerpunkte nicht mehr bei der Erzeugung, sondern bei der Verarbeitung und beim Vertrieb eines zukunftsfähigen Produktes lagen. Hinzu kam eine der modernsten Bleihütten Europas, an die sich ebenfalls ein umfangreicher weiterverarbeitender Sektor anschloss. Selbst die konjunkturellen Aussichten schienen sich endlich wieder etwas zu verbessern, als Otto Wolff von Amerongen 1969 die Bombe platzen ließ: Der Kölner Mutterkonzern verkaufte seine Mehrheitsbeteiligung an die Frankfurter Metallgesellschaft. Noch im gleichen Jahr erfolgte die Zustimmung der verbliebenen Aktionäre der Stolberger Zink zu einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Metallgesellschaft AG. Der Entschluss war ebenso überraschend wie konsequent, denn schon jetzt war die Stolberger Zink durch ihre Beteiligung an der Rheinzink in ihrem zentralen Geschäftsbereich stärker mit den Frankfurter Konzern verbunden als mit der Kölner Muttergesellschaft. Wirtschaftlich noch sinnvoller war es allerdings, nicht auf halbem Wege stehen zubleiben, sondern die vorhandenen Betriebsmittel nunmehr auch vollständig in die Metallgesellschaft zu integrieren - so zumindest die Sichtweise in der Frankfurter Konzernzentrale. Schon die 1970 erfolgte Umbenennung des Unternehmens in das unverbindliche 'Stolberger Zink Aktiengesellschaft' sowie die Rückverlegung des Geschäftssitzes von der repräsentativen Aachener Theaterstraße nach Stolberg-Münsterbusch deuteten diese zukünftige Entwicklung an.

Verantwortlich für die nun folgende Abwicklung war bis 1977 Bergwerksdirektor Hans Fritsche. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er mit der Entwicklung des Maubacher Bleibergs maßgeblich zum Wiederaufbau des Konzerns beigetragen. Nun war es seine Aufgabe, die metallgewerblichen Betriebe für die Übergabe an die Metallgesellschaft neu zu organisieren. Innerhalb weniger Jahre veränderte sich die Struktur der Stolberger Zink noch einmal dramatisch. Die Bleihütte und die Reste der Zinkhütte Nievenheim waren bereits 1969 an Berzelius gegangen. Die Schwefelsäurefabrik Binsfeldhammer wurde 1971 aufgelöst. Alle ausländischen und branchenfremden Beteiligungen wurden kurzfristig abgestoßen. Die letzte Zeche, Ramsbeck, ging 1972 an die Sachtleben GmbH. Im gleichen Jahr wurden schließlich die noch produzierenden Geschäftsbereiche in Stolberg-Münsterbusch, die Zincoli, die Vereinigte Zinkwerke GmbH sowie die Vereinigte Bleiwerke GmbH an die Vereinigte Deutsche Metallwerke AG übertragen. Bis 1991 beziehungsweise 2001 sollten sie an diesem traditionellen Standort noch einige Restaktivitäten entfalten. Lediglich die Stolberger Ingenieurberatung firmierte trotz Sitzverlegung nach Frankfurt a.M. vor allem wegen ihres internationalen Rufes noch einige Jahre unter ihrem bekannten Namen.

Davon abgesehen war fünf Jahre nach der Übernahme von der Stolberger Zink praktisch nur noch der Unternehmensmantel mit einigen wenigen Angestellten übrig. Diese konzentrierten sich vorwiegend auf die Verwaltung der Pensionskasse, der Rückstellungen sowie der Abwicklung von Bergschadens-, Umwelt- und Steuersachen. Für Bilanzgewinne sorgte die Liegenschaftsverwaltung, welche den umfangreichen Immobilienbesitz verkaufte und verpachtete. Zu dieser passiven Verwaltung des vorhandenen Immobilienbestandes sowie der Abarbeitung diverser Altlastenprobleme gehörten in Stolberg u.a. die Versiegelung des neuen Gewerbegebietes Münsterbusch, die Sanierung der Kohlscheiderhalde und der Verkauf des Zinkhütter Hofs, ein frühindustrielles Fabrikensemble auf dem Münsterbusch, welches in den 90er Jahren des 20 Jahrhunderts zu einem Industriemuseum umgestaltet wurde.

Stolberger Telecom AG

Bis zur Mitte der 90er Jahre wurde dieses Rumpfgeschäft weiter fortgesetzt. Dann, anlässlich des 150jährigen Konzernjubiläums, wartete der Vorstand 1995 noch einmal mit einer Überraschung auf. Zukünftig sollte die Gesellschaft wieder aktiv im Bereich der Immobilienentwicklung tätig werden. Der noch verbliebene Liegenschaftsbesitz sollte nun offensiv vermarktet werden. Nach einer erneuten Umstrukturierung verfügte die Stolberger Zink im Jahr 1995 über eine Holdingstruktur mit den Geschäftsbereichen Wohnen, Forsten und Gewerbe. Wohnparks, Gewerbehöfe und Bürokomplexe sollten in ganz Deutschland entwickelt werden, doch waren die Pläne bereits zum Zeitpunkt ihrer Publikation Makulatur. Zwei Jahre zuvor war die Metallgesellschaft durch bis heute nicht endgültig aufgeklärte Öltermingeschäfte in die tiefste Krise seit ihrer Gründung gestürzt. Nun musste der neue Vorstandsvorsitzende Karl Josef Neukirchen fast die Hälfte der rund 700 Tochterunternehmen und Beteiligungen verkaufen, um wenigstens den Kernkonzern zu retten. Dazu gehörte auch die Stolberger Zink.

Neuer Großaktionär wurde im Jahr 1996 der Kölner Kaufmann Günter Minninger, der zusammen mit drei weiteren Familienmitgliedern bis zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung rund 74% des Aktienkapitals hält. Minninger war seit Beginn der neunziger Jahre verstärkt als Investor im Bereich Immobilienentwicklung aufgetreten. Bundesweit Aufsehen erregte der Kaufmann Mitte der 90er Jahre, als er in der Hoffnung auf mögliche Entschädigungen für das beträchtliche Ostvermögen als Großaktionär und Liquidator bei der 'IG-Farben in Abwicklung’ einstieg.
Ende 1998 brachte Minniger publicitywirksam noch einmal neues Leben in den traditionsreichen Firmenmantel. Nach Vetragsabschlüssen mit verschiedenen Kooperationspartnern im Telekommunikationsbereich übernahm die Stolberger Zink die angeschlagene Süßwarenladenkette Most. Die rund 140 Filialen in 80 Städten sollten zukünftig sowohl Süßwaren als auch Telekommunikationsprodukte vermarkten. Ein Börsengang der neuen Tochter war geplant. Noch einmal wurde das Unternehmen entsprechend den veränderten Geschäftsplänen umbenannt; „Stolberger Telecom“ lautet die aktuelle und vermutlich auch letzte Unternehmensbezeichnung. Bereits Ende 2000 sollte das Unternehmen bundesweit zu den führenden Fachhändlern auf dem Gebiet der Telekommunikation zählen. Obwohl der Boom in der Telekommunikationsbranche bereits deutlich abgeklungen war, rieten zahlreiche Börsenexperten den Anlegern zu Stolberger Telecom-Aktien.

Doch auch dieses kuriose Geschäftsmodell entwickelte sich nicht wie geplant. Mitten in der Umbauphase musste der Most-Vorstand einen Insolvenzantrag stellen. Die Muttergesellschaft hatte das Unternehmen mit zu wenig Kapital ausgestattet und ein überschuldetes Unternehmen hinterlassen. Im Jahr 2000, also noch vor der großen Technologiebaisse, führte die Stolberger Telecom bereits die Liste der fünfzig größten Vernichter von Aktionärsvermögen der vergangenen fünf Jahre an. Zwei Jahre später, im Juli 2002, stellte die Stolberger Telekom einen Insolvenzantrag. In der Folge stießen die Notierungen der Stolberger Aktien endgültig in den unteren Bereich hochspekulativer Penny-Stocks vor.

Geschichte wiederholt sich nur als Farce? Zu den nie ganz gelösten Merkwürdigkeiten der Firmentradition gehört es, dass sie ausgerechnet die Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft unter dem verhängnisvollen Marquis de Sassenay als ihr eigentliches Gründungsjahr betrachtete. Zumindest auf dem Börsenparkett ist man insofern mit dem Marx’schen Bonmot wieder da angekommen, wo man im Jahr 1845 begonnen hatte; bei einigen fragwürdigen Investoren und einer gewissen Wahrscheinlichkeit, als Anleger Opfer von Kursspekulationen zu werden. Von einer weiteren Verwertung des Unternehmensmantels ist, vor allem im Hinblick auf mögliche Veräußerungsgewinne, in den einschlägigen Börsenchats zwar gelegentlich noch die Rede, doch gilt die endgültige Liquidierung inzwischen als die wahrscheinlichste Perspektive.

Zechen, Hütten und Gesellschaften der Stolberger Zink AG (einschließlich Beteiligungen)

Gruben und Grubengesellschaften

Grube Bliesenbach, Engelskirchen
Grube Blücher, Bensberg
Grube Breinigerberg, Stolberg
Grube Büsbacherberg, Stolberg
Grube Camilla, Norath (Eifel)
Grube Diepenlinchen, Stolberg
Grube Ernst, Wiesloch
Grube Gänsberg, Wiesloch
Grube Glücksburg, Stolberg
Grube Gute Hoffnung, Hirzenach a. Rh.
Grube Glücksthal, Binzenbach/Eifel
Grube Herrenberg, Aachen
Grube Holzappel, Laurenburg
Grube James, Münsterkohlberg, Stolberg
Grube Luccas, Dortmund
Grube Maubacher Bleiberg, Gey bei Düren
Grube Merkur, Bad Ems
Grube Mühlenbach, Ehrenbreitstein
Grube Rosenberg, Braubach am Rhein
Grube Schauinsland, Kappel bei Freiburg im Breisgau
Grube Silistria, Siegburg
Grube Segen Gottes, Wiesloch
Grube Theodor, Tellig (Mosel)
Grube Vasbeck,Waldeck
Grube Ver. Bastenberg und Dörnberg, Ramsbeck
Grube Weiss, Bensberg
Gruben in den Provinzen Jaën, La Carolina und Almeria
Gruben Grugua, Sardinien
Bergwerks-Aktiengesellschaft Pirin, Bulgarien
Minex (Pty.) Ltd., Johannesburg

Hütten

Zinkhütte St. Heinrichshütte, Münsterbusch, Stolberg
Rösthütte und Schwefelsäurefabrik Münsterbusch, Stolberg
Blei- und Silberhütte Münsterbusch, Stolberg
Société de la Manufacture de Glace d'Aix-la-Chapelle, Aachen
Bleihütte Ramsbeck, Westfalen
Zinkhütte Birkengang, Stolberg
Bleihütte Binsfeldhammer, Stolberg
Zinkhütte, Rösthütte und Schwefelsäurefabrik Nievenheim, Neuss
Zinkhütte Dortmund
Bleihütte Bad Ems

Verarbeitung und Veredelung

Zinkwalzwerk Münsterbusch, Stolberg
Vereinigte Blei- und Zinkwerke GmbH / Vereinigte Bleiwerke GmbH, Stolberg / Vereinigte Zinkwerke GmbH, Stolberg
Druckplatten-Fabrikations- und Handelsgeschäft Hermann Schoembs & Co., Frankfurt a.M. ('Arisierung', 1937-1952, Vergleich 1952)
Stolberger Zincoli GmbH für Zinkstaub, Stolberg
Stolberger Graphik GmbH
Heinrich André KG für feuerfeste Erzeugnisse und Baukeramik, Wanne-Eickel
Betonwerk Niederrhein GmbH, Monheim Baumberg
Rheinisches Zinkwalzwerk GmbH & Co. KG, Datteln
Bleiwalzwerk Bad Ems
Dürener Kalksteinwerk Schenking KG, Gey über Düren

Handel und Vertrieb

Rheinischer Erz- und Metallhandel GmbH (Rheinerz), Köln ('Arisierung' 1938-1950, Restitution 1950)
Klempnerei-Bedarfsgesellschaft Mannigel & Co., Dortmund
Most AG, Sarstedt

Consulting

Stolberg Ingenieurberatung GmbH, Consulting Engineers, Stolberg

Soziale und kulturelle Einrichtungen

Betriebskrankenkasse St. Heinrichshütte, Aachen/Stolberg
Maas’sche Unterstützungseinrichtung e.V. für Angestellte, Aachen/Stolberg
Zimmertheater des Landkreises Aachen GmbH, Aachen [Grenzlandtheater]

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  83. Neue Zinkelektrolyse in Datteln vor Produktionsbeginn, in: Metall, 22. Jg., Heft 8 (1968), S. 865-867.
  84. Zinkhütter Hof. Museum für Industrie-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, o.O. o.J. [Stolberg, um 1996].
  85. Größtes und modernstes Zinkwalzwerk der Welt, in: Metall, 23. Jg., Heft 8, (1969), S. 857-858.